Mit den 30 essayistischen Miniaturen, die sie nun unter dem genialen Titel „Stubenflieger“ in einem vom KunstSinn-Verlag schön gestalteten Buch versammelt hat, wird sich das ändern. Denn der 1953 als Jüngste von drei Kindern in Göttingen geborenen und in einem turbulenten evangelischen Pfarrhaus aufgewachsenen Malerin ist es durchaus ernst mit dem Schreiben. So humorvoll, ironisch, komisch-verzweifelt sie auch selbst in ihrem Debüt mit den ersten Gehversuchen in der neuen Kunst umgeht. Parallelen zu ihrer Malerei lassen sich dabei ohne weiteres erkennen. Gefühl für Rhythmus, Liebe zum Detail und Bewusstsein für den Wert aller Dinge zum Beispiel. Und dass es keinen Mittelpunkt gibt in den Geschichten, die passierten und nicht phantasiert sind. Das verleiht ihren ganz unterschiedlich temperierten Reflexionen über das Leben als Frau und Freundin, Mutter und Malerin, Bielefelderin und politisch sozialisierter Mensch mit Zweifeln und Widersprüchen die notwendige Offenheit, um über das Persönliche hinaus Wiedererkennungswerte beim Lesenden zu schaffen. Identifikationen, die auch über ihr Verweisen auf frühprägende Lektüren, wie etwa Paul Watzlawicks „Anleitung zum Unglücklichsein“ oder Christiane Brückners „Wenn du geredet hättest, Desdemona“, funktionieren. Und „Schwere See“, das zu den stärksten Kapiteln des Buches zählt, bezieht sich explizit auf einen Element of Crime-Song, den Elisabeth Lasche sozusagen mit eigenen Worten und einer für sie typischen direkten Ansprache weiterschreibt. „Schwere See, du tobst da draußen einen argen Tanz, bringst imaginäre Schiffe zum Sinken und reißt Dämme nieder“, heißt es dort und dass es bei ihr wie bei Sven Regener nicht um eine Wetter- , sondern eine Gemütslage geht, ist schon klar. So wie mit dem Meer redet die Autorin auch mit Pflanzen und Tieren, am häufigsten mit jener titelgebenden Stubenfliege, die leitmotivisch durchs Buch schwirrt. Eine gute Idee, die das Notierte strukturiert und verbindet. Zudem öffnet das Flügeltier einen großen Wortspielraum, der von Eskapismus („die Fliege machen“), über Defätismus („nur eine Eintagsfliege sein“) bis Pazifismus („keiner Fliege etwas zuleide tun“) reicht. Und Elisabeth Lasche nutzt ihn gewinnbringend für ihre Lebens- und Liebensbetrachtungen, die mit Hochzeitsvorbereitungen beginnen und zwei Ja-Worten enden. „Begonnen 2009, auf Halde gelegen bis 2016, beendet 2017“, ist dem Ganzen vorangestellt. Das hänge, so die Künstlerin im Gespräch, mit ihrer Tochter zusammen, die eine zentrale Figur der Aufzeichnungen ist und ihr 2009 als 13-Jährige die Hölle heiß gemacht hätte, wenn sie mit den Texten an die Öffentlichkeit gegangen wäre. Heute habe sie damit keine Probleme mehr, im Gegenteil, genauso wie übrigens ihr Mann Bernd Ackehurst. Anzunehmen, dass beide dabei sein werden, wenn Elisabeth Lasche „Stubenflieger“ im Naturkundemuseum vorstellt, ihr Buch, ihr Leben. Das zornige Seiten hat und stille, nicht nur vom Gelingen handelt, sondern auch vom gelegentlichen Scheitern. Gerade das macht es gut.
Elisabeth Lasche und das Naturkundemuseum Bielefeld laden am Donnerstag, den 20.07.2017 um 19 Uhr zur Buchpräsentation ein. Geplant ist eine kleine Lesung und eine anschließende Führung durch die aktuelle Ausstellung von Fliegen und Insekten.